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Brief für Steuerpflichtige im Privatbereich des Monats August 2010


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche, vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Fahrzeuglieferungs-Meldepflichtverordnung ist in Kraft getreten

2.

Kündigung: Verdacht auf falsche Spesenabrechnungen

3.

Ehescheidung: Steuerliche Behandlung des Versorgungsausgleichs

4.

Schwarzgeldabrede nicht ohne Weiteres Nettolohnvereinbarung

5.

Zu Werbungskosten bei Teilnahme an Auslandsgruppenreisen

6.

Haben abgelehnte Bewerber gegen Arbeitgeber einen Auskunftsanspruch?

7.

Aufwendungen für gemischt veranlasste Fortbildungsveranstaltungen

8.

AdV: Abkommensrechtliche Qualifikation gew. geprägter span. PersG

9.

Außerordentliche Kündigung eines Landpachtverhältnisses

10.

Vorgetäuschte Erkrankung: Gesteigerte Darlegungs- und Beweislast

11.

ErbSt: Maßgebende Steuerklassen bei ehemaligem Adoptionsverhältnis

12.

Heimischer PC: Entschädigung für unrechtmäßige Beschlagnahmung

13.

DBA-USA: Besteuerung von Zinseinkünften einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft

14.

Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen nicht strafbar

15.

BAG hebt Kündigung von "Emmely" auf

16.

Verabschiedungsschreiben bei Wechsel zu Wettbewerber



1. Fahrzeuglieferungs-Meldepflichtverordnung ist in Kraft getreten

Einführung
Wer innerhalb der EU liefert, muss eine Unmenge an Meldepflichten beachten. Seit dem 1.7.2010 ist eine neue hinzugekommen, die Fahrzeuglieferungs-Meldepflichtverordnung (FzgLiefgMeldV).

Inhalt
Zu melden sind innergemeinschaftliche Lieferungen von neuen Fahrzeugen an Abnehmer ohne USt-IDNr., z. B. Privatpersonen. Die Meldepflicht betrifft nicht nur Unternehmer, sondern auch andere Fahrzeuglieferer i. S. d. § 2a UStG. Zum letztgenannten Personenkreis zählen Privatpersonen sowie Unternehmer, die die Lieferung nicht im Rahmen ihres Unternehmens ausführen. Die Meldung ist bis zum 10. Tag nach Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem die Lieferung ausgeführt worden ist, zu übermitteln. Soweit Unternehmern eine Dauerfristverlängerung für die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen gewährt wurde, gilt diese auch für die FzgLiefgMeldV.

Konsequenz
Die neue Meldepflicht ist zu beachten. Ein Verstoß hiergegen kann mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 EUR geahndet werden. Unternehmer müssen die Meldung grundsätzlich elektronisch übermitteln; entweder über das ElsterOnline-Portal oder über das Portal des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt). Die Nutzung der Portale setzt eine vorherige Registrierung voraus. Diese sollte frühzeitig erfolgen, um die Meldung fristgerecht übermitteln zu können. Fahrzeuglieferer i. S. d. § 2a UStG können die Meldung auch in Papierform abgeben. Das BZSt bietet hierzu das Formular zum Ausdruck an. Aufgrund der Ausweitung der Meldpflichten über den "normalen" Unternehmer hinaus, ist jeder zur Meldung verpflichtet, wenn er ein neues Fahrzeug in die EU liefert. Zu beachten ist dabei, dass ein neues Fahrzeug im Sinne des UStG durchaus auch ein Gebrauchtfahrzeug sein kann. Als neu gelten (§ 1b UStG):

- Landfahrzeuge: motorbetrieben, mit einem Hubraum von mehr als 48 Kubikzentimetern oder einer Leistung von mehr als 7,2 Kilowatt, die nicht mehr als 6.000 Kilometer zurückgelegt haben oder deren erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt der Lieferung nicht mehr als 6 Monate zurückliegt.

- Wasserfahrzeuge: mit einer Länge von mehr als 7,5 Metern, die nicht mehr als 100 Betriebsstunden auf dem Wasser zurückgelegt haben oder deren erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt der Lieferung nicht mehr als 3 Monate zurückliegt.

- Luftfahrzeuge: mit einer Starthöchstmasse von mehr als 1.550 Kilogramm, die nicht länger als 40 Betriebsstunden genutzt worden sind oder deren erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt der Lieferung nicht mehr als 3 Monate zurückliegt.


2. Kündigung: Verdacht auf falsche Spesenabrechnungen

Kernfrage/Rechtslage
Bis zur Emmely Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verhielt es sich so, dass Straftaten gegen den Arbeitgeber immer die fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigten. Neben weiteren Voraussetzungen war bereits ein hinreichend starker Verdacht ausreichend. In diese Fallgruppen zählten auch die Fälle des (versuchten) Spesenbetruges. Das Arbeitsgericht Cottbus hat nunmehr in einer jüngeren Entscheidung - wohl auch unter dem Eindruck der aktuellen Entwicklungen im Bereich von Straftaten mit geringwertigem Schaden - zur Zulässigkeit fristloser Kündigungen bei (versuchtem) Spesenbetrug Stellung genommen.

Entscheidung
Über mehrere Jahre hinweg hatte ein Arbeitnehmer gleichartige Spesenabrechnungen eingereicht. Dabei hatte er die Zeiten der Abwesenheit auf jeweils eine halbe und volle Stunde gerundet. Diese Abrechnungen wurden zunächst vom Arbeitgeber anerkannt. Später hatte dieser den Arbeitnehmer observiert und dabei festgestellt, dass die Abrechnung nicht minutengenau und die Spesenabrechnung damit unberechtigter Weise zu hoch war. Gegen die darauf hin ausgesprochene fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung klagte der Arbeitnehmer mit Erfolg. Denn - so das Gericht - der Arbeitgeber hätte zunächst dem Arbeitnehmer gegenüber eine neue, geänderte (minutengenaue) Abrechnungspraxis einführen müssen, bevor hinreichender Anlass für die Annahme bestanden hätte, der Arbeitnehmer habe den Arbeitgeber betrügen wollen. Zwar ist anerkannt, dass die Arbeitszeit-, Gleitzeit- oder Arbeitsleistungsmanipulation je nach den Umständen einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen kann, wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, wie der Vorgang strafrechtlich zu würdigen ist. Einer Abmahnung bedarf es in der Regel nicht, weil in diesem spezifischen Vertrauensbereich der Arbeitnehmer im Allgemeinen keinen Grund zur Annahme haben kann, sein Handeln werde gebilligt. Stets sei aber danach zu fragen, wie die bisherige Handhabung im Betrieb aussah. Wurde Großzügigkeit praktiziert, ist zunächst eine Änderung der Praxis bekanntzugeben ("in Zukunft wird genau gerechnet"). Denn anderenfalls läge ein widersprüchliches Verhalten vor, das die Kündigung unzulässig mache.

Konsequenz
In der Konsequenz dürfte die Entscheidung so zu verstehen sein, dass allein der Verdacht der inkorrekten Spesenabrechnung nicht berechtigt, ohne vorherige Änderung der Abrechnungspraxis eine fristlose Kündigung auszusprechen. Dies wird nur noch in Ausnahmefällen möglich sein.


3. Ehescheidung: Steuerliche Behandlung des Versorgungsausgleichs

Kernproblem
Geht eine Ehe auseinander, kommt es im Regelfall zur Durchführung eines Versorgungsausgleichs. Dies hat zur Folge, dass die in der Ehezeit erworbenen Anrechte aus der Altersversorgung geteilt werden. Hier wird zwischen interner (also innerhalb des jeweiligen Versorgungssystems) und externer Teilung unterschieden. Steuerlich entstehen dabei eigene Anwartschaften, für die es bei Rentenzufluss keiner steuerlichen Sonderregelungen bedarf. Sind jedoch die Anrechte am Ende der Ehezeit noch nicht ausgleichsreif, z. B. weil der Versorgungsanspruch noch verfallbar ist, kommen Ausgleichsansprüche nach der Scheidung in Betracht. Die einkommensteuerliche Behandlung dieser Ansprüche wurde ab dem VAZ 2008 geändert, so dass sich das BMF zur Veröffentlichung einer neuen Verwaltungsanweisung veranlasst sah.

Formen der Ausgleichszahlungen
Die zivilrechtlichen Regelungen des Versorgungsausgleichs wurden ab dem 1.9.2009 geändert, wobei die bisherige zivilrechtliche Systematik weitgehend beibehalten wurde. Es lassen sich folgende Formen unterscheiden:

I. Anspruch auf schuldrechtliche Ausgleichsrente:

1. Basisversorgung,

2. Versorgungsbezug,

3. andere Leibrente (z. B. VBL),

4. Pensionsfonds, -kasse, Direktversicherung oder Riester,

II. Abtretung von Versorgungsansprüchen.

III. Anspruch auf Ausgleich von Kapitalzahlungen.

IV. Anspruch auf Abfindung.

V. Anspruch gegen Witwe/Witwer.

Neues BMF-Schreiben
Die steuerliche Behandlung folgt dem Korrespondenzprinzip: Beim Verpflichteten können die im Rahmen des Versorgungsausgleichs getätigten Ausgleichszahlungen in dem Umfang als Sonderausgaben geltend gemacht werden, in dem die den Ausgleichszahlungen zugrunde liegenden Einnahmen bei ihm der Besteuerung unterliegen. Der Berechtigte hat die Zahlungen in der Höhe als sonstige Einkünfte zu versteuern, wie sie beim Verpflichteten als Sonderausgaben abgezogen werden können. Beispiel: Im Jahr 2011 erhält der Ausgleichsverpflichtete eine Basisversorgung von 10.000 EUR; davon unterliegen (nach Berücksichtigung der voll steuerpflichtigen Anpassungen) insgesamt 6.220 EUR der Besteuerung. Bei einer Ausgleichsverpflichtung von 50 % (5.000 EUR) liegen Sonderausgaben von 3.110 EUR vor; der Berechtigte muss 3.110 EUR (minus Werbungskosten-PB) versteuern. Nach dem gleichen Prinzip wird in den anderen Anspruchsfällen verfahren (z. B. im Fall des Versorgungsbezugs durch Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit unter Berücksichtigung des Versorgungsfreibetrags). Gleiches gilt auch bei Abtretung von Versorgungsansprüchen. Dagegen ist der Anspruch auf Abfindung ein Vorgang auf privater Vermögensebene.


4. Schwarzgeldabrede nicht ohne Weiteres Nettolohnvereinbarung

Kernfrage/Rechtslage
Das Sozialversicherungsrecht sieht gesetzlich kodifiziert vor, dass im Falle von Schwarzgeldzahlungen diese Zahlungen den zwischen den Parteien vereinbarten Nettolohn darstellen. Die Nettolohnabrede wird gesetzlich fingiert. Das führt dazu, dass die nachzuentrichtenden Beiträge hochgerechnet werden. Das Bundesarbeitsgericht hatte darüber zu entscheiden, ob diese sozialversicherungsrechtlichen Regelungen auch im Arbeitsrecht Anwendung finden. Folge wäre, dass der Arbeitgeber auch Steuern und sämtliche Sozialversicherungsabgaben aus dem fiktiven Bruttolohn zu zahlen hätte.

Entscheidung
Die Klägerin war offiziell als geringfügig Beschäftigte auf 400 EUR-Basis angestellt. Sie arbeitete allerdings in der Regel 41,25 Stunden pro Woche und erhielt über die vereinbarten 400 EUR hinaus weitere 900 EUR zuzüglich Umsatzprovisionen "schwarz" ausgezahlt. Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis wirksam gekündigt hatte, verlangte die Klägerin Annahmeverzugsvergütung für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und Urlaubsabgeltung auf der Grundlage einer Nettolohnvereinbarung und unterlag vor dem Bundesarbeitsgericht. Das Gericht sah keine Nettolohnvereinbarung dahingehend, dass der Klägerin ein monatlicher Nettolohn von 1.300 EUR zuzüglich der Umsatzprovision geschuldet sei. Eine solche Vereinbarung hätten die Parteien weder ausdrücklich noch konkludent geschlossen. Zweck der Schwarzgeldabrede war, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu hinterziehen, nicht jedoch deren Übernahme durch den Arbeitgeber. Eine Nettolohnabrede folge auch nicht aus den sozialversicherungsrechtlichen Regelungen, deren Anwendungsbereich aber auf das Sozialversicherungsrecht beschränkt sei. Denn Zweck dieser Vorschrift sei es, Beweisschwierigkeiten bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge zu beseitigen.

Konsequenz
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Tatsächlich fingiert das Sozialversicherungsrecht bei Schwarzgeldzahlungen die Nettolohnabrede nur. Eine zivilrechtliche Wirkung kann aber nicht fingiert werden, sondern bedarf der Vereinbarung zwischen den Parteien.


5. Zu Werbungskosten bei Teilnahme an Auslandsgruppenreisen

Einführung
Seit Jahrzehnten hatte die Rechtsprechung des BFH aus der Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ein Aufteilungs- und Abzugsverbot für Aufwendungen, die sowohl beruflich als auch privat veranlasst waren (sog. gemischte Aufwendungen), hergeleitet. Dies hatte für den Steuerpflichtigen zur Folge, dass auch der Teil der Aufwendungen, der beruflich veranlasst war, steuerlich nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen wurde. Diese Rechtsauffassung hat der Große Senat des BFH im Jahre 2009 aufgegeben und gemischt veranlasste Aufwendungen nunmehr für grundsätzlich aufteilbar erklärt.

Sachverhalt
Eine Englischlehrerin begehrte den Abzug der Aufwendungen für eine mehrtägige Fortbildungsreise nach Irland als Werbungskosten. Die Reise, die von einer Englischlehrervereinigung angeboten und durchgeführt wurde und für die die Klägerin Dienstbefreiung von ihrer Schule erhalten hatte, lief nach einem festen Programm ab und beinhaltete kulturelle Vortragsveranstaltungen und Besichtigungstermine. Das Finanzamt und auch das Finanzgericht lehnten den Werbungskostenabzug in vollem Umfang ab, da die Reise nicht ausschließlich beruflich veranlasst gewesen sei.

Entscheidung des BFH
Der BFH hob die Entscheidung des FG auf. Das Untergericht hat nunmehr erneut zu prüfen, ob die Kosten der Bildungsreise als beruflich veranlasste Kosten ganz oder teilweise als Werbungskosten berücksichtigungsfähig sind. Die vollständige Versagung des Werbungskostenabzugs aufgrund einer auch privaten Mitveranlassung der Reise sei vor dem Hintergrund der geänderten Rechtsprechung des Großen Senats des BFH aus dem Jahr 2009 nicht ohne weiteres statthaft. Nach den vom Großen Senat aufgestellten Grundsätzen sind vielmehr bei einer gemischt veranlassten Reise zunächst die Kostenbestandteile der Reise zu trennen, die sich eindeutig dem beruflichen und privaten Bereich zuordnen lassen. Aufwendungen, die beide Bereiche betreffen, also insbesondere Beförderung, Hotelunterbringung und Verpflegung, sind aufzuteilen. Hierbei kann als sachgerechter Aufteilungsmaßstab das Verhältnis der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise herangezogen werden.

Konsequenz
Zwar hat der Große Senat des BFH begrüßenswerter Weise das bislang geltende Aufteilungsverbot sog. gemischter Aufwendungen "gekippt", jedoch sind verschiedene Einschränkungen zu beachten. So muss der Steuerpflichtige unter anderem überprüfbare Nachweise erbringen, an welchen Tagen und in welchem zeitlichen Umfang er während der Reise beruflich tätig war. Die allgemeine Feststellung des Steuerpflichtigen, er sei beruflich tätig geworden, reicht keinesfalls aus.


6. Haben abgelehnte Bewerber gegen Arbeitgeber einen Auskunftsanspruch?

Kernfrage/Rechtslage
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Europäische Vorgaben in nationales Recht umwandelt, sieht für Bewerber einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch vor, wenn sie aufgrund einer Diskriminierung abgelehnt werden. Bekommen die Bewerber den Ablehnungsgrund nicht mitgeteilt, stellt sich die Frage, ob ihnen die Antidiskriminierungsregelungen einen - in Deutschland nicht ausdrücklich kodifizierten - Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber eröffnen. Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht jetzt dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Entscheidung
Die in Russland geborene Klägerin hatte sich erfolglos auf eine ausgeschriebene Stelle beworben. Die Beklagte hatte ihr nicht mitgeteilt, ob sie einen anderen Bewerber eingestellt hatte und ggf. welche Kriterien für diese Entscheidung maßgeblich waren. Die Klägerin behauptete, sie habe die Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle erfüllt und sei lediglich wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Aufgrund der damit vorliegenden Diskriminierungen müsse die Beklagte eine Entschädigung zahlen. Die ersten Instanzen haben die Klage abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob das Gemeinschaftsrecht einem Bewerber, der die Voraussetzungen für eine ausgeschriebene Stelle erfüllt, dessen Bewerbung aber nicht berücksichtigt wurde, gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunft einräumt. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Klägerin nach nationalem Recht keinen Anspruch auf Auskunft habe, allerdings sei nicht auszuschließen, dass die einschlägigen Europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien möglicherweise einen solchen Auskunftsanspruch forderten.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt die Reichweite des Europarechts selbst dort, wo der Gesetzgeber bereits nationale Regelungen geschaffen hat. Es steht zu vermuten, dass der Europäische Gerichtshof die Frage jedenfalls in den Fällen zugunsten der Arbeitnehmer entscheidet, in denen hinreichende Indizien für eine Diskriminierung vorliegen.


7. Aufwendungen für gemischt veranlasste Fortbildungsveranstaltungen

Einführung
Aufwendungen eines Steuerpflichtigen, die sowohl beruflich als auch privat veranlasst sind (sog. gemischte Aufwendungen), unterlagen nach bisheriger Rechtsprechung des BFH einem Aufteilungs- und Abzugsverbot. Dies hatte zur Konsequenz, dass auch der Teil der Aufwendungen, der beruflich veranlasst war, steuerlich nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen wurde. Diese Rechtsauffassung hat der Große Senat des BFH im Jahr 2009 aufgegeben und gemischt veranlasste Aufwendungen nunmehr für grundsätzlich aufteilbar erklärt.

Sachverhalt
Ein angestellter Unfallarzt nahm an einem sportmedizinischen Fortbildungskurs in einem bekannten Urlaubsort teil. Für die Fortbildung, die von der Ärztekammer zum Erwerb der Qualifikation "Sportmediziner" anerkannt wurde, erhielt der Arzt eine entsprechende Freistellung durch die Klinik. Inhalt der Fortbildungsmaßnahme waren Fachvorträge sowie die Ausübung verbreiteter Sportarten (Tennis, Surfen etc.). Das Finanzamt lehnte den geltend gemachten Werbungskostenabzug des Arztes in vollem Umfang ab. Das FG hingegen gab der Klage des Arztes teilweise statt mit der Begründung, die Aufwendungen seien anteilig beruflich veranlasst.

Entscheidung des BFH
Der BFH folgte der Auffassung des FG. Er berief sich auf die geänderte Rechtsprechung des Großen Senats des BFH aus 2009, wonach Aufwendungen, die sowohl privat als auch beruflich veranlasst sind, grundsätzlich in abziehbare Werbungskosten und nicht abziehbare private Aufwendungen aufzuteilen sind, sofern eine Abgrenzung möglich und nachprüfbar ist. Der BFH folgte im vorliegenden Fall der Würdigung des FG. Das Gericht hatte die Aufteilung anhand der Zeitanteile vorgenommen, die gemäß Fortbildungsprogramm des Veranstalters auf die beruflich veranlassten Vorträge einerseits und die - seiner Auffassung nach - privat veranlassten sportpraktischen Veranstaltungen andererseits entfielen.

Konsequenz
Die Abkehr von dem bislang geltenden Aufteilungsverbot sog. gemischter Aufwendungen sollte in ihrer praktischen Bedeutung nicht überschätzt werden. Wenn nicht eindeutig und objektivierbar festzustellen ist, in welchem Umfang der Steuerpflichtige beruflich bzw. privat tätig geworden ist, scheidet eine Aufteilung aus. Die in einem solchen Fall lediglich theoretische Möglichkeit der Aufteilung der Aufwendungen nach Zeitanteilen reicht dann nicht aus.


8. AdV: Abkommensrechtliche Qualifikation gew. geprägter span. PersG

Kernproblem
Der BFH musste in einem AdV-Verfahren die Besteuerung eines Gewinns würdigen, den ein deutsches Ehepaar aus der Veräußerung einer spanischen PersG erzielt hatte.

Sachverhalt
Die Antragsteller waren für das Streitjahr 2003 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Sie waren an einer spanischen Gesellschaft in der Rechtsform einer Sociedad en Commandita (S. C.) beteiligt, deren Struktur der einer deutschen Kommanditgesellschaft entspricht. Die Antragsteller waren ebenfalls an der Komplementärin beteiligt und hielten ihre Beteiligungen jeweils im Sonderbetriebsvermögen der S. C. 2003 veräußerten die Antragsteller ihre Beteiligungen. In der für die S. C. abgegebenen Feststellungserklärung wurde der dabei erzielte Gewinn als nach dem DBA-Spanien steuerfrei erklärt. Dem folgte das Finanzamt im Bescheid zur gesonderten und einheitlichen Feststellung nicht und stellte in Höhe des erklärten Betrags einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn fest. Die Beteiligten streiten nunmehr darüber, ob Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen nach dem DBA-Spanien in Deutschland versteuert werden dürfen.

Entscheidung
Die Klage der Antragsteller hatte vor dem BFH Erfolg. Zunächst war zu klären, ob die gewerbliche Prägung der Gesellschaft auch nach dem DBA-Spanien zu Einkünften aus Unternehmen (hier Veräußerungsgewinnen) führt. Darüber hinaus war strittig, ob der in Spanien maßgebliche Steuerstatus (juristische Person) das Besteuerungsrecht nach dem DBA-Deutschland und nicht Spanien vorbehält. Bei der Beurteilung dieser Frage spielt u. a. die Abkommensberechtigung der Gesellschaft oder alternativ der Gesellschafter eine tragende Rolle. Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass die Frage der Abkommensberechtigung offen ist und nicht zwangsläufig so zu entscheiden sei, wie im neuen BMF-Schreiben zur Behandlung von PersG im DBA geregelt. Für die weitere Betrachtung komme es entscheidend darauf an, ob in Spanien tatsächlich eine Betriebsstätte vorhanden gewesen sei. Wenn dies der Fall sei, stehe Spanien ein Besteuerungsrecht zu. Deutschland müsse die Einkünfte freistellen. Eine Anwendung von § 50 d Abs. 9 EStG sei problematisch, weil die Regelung erst durch das Jahressteuergesetz 2007 eingeführt worden sei und die gesetzlich geregelte Rückwirkung problematisch ist. Die weitere Sachaufklärung muss durch das FG erfolgen.


9. Außerordentliche Kündigung eines Landpachtverhältnisses

Kernfrage/Rechtslage
Der Bundesgerichtshof hatte in einer jüngeren Entscheidung darüber zu befinden, ob und in welchen zeitlichen Grenzen das dem Grunde nach bestehende Recht zur fristlosen Kündigung eines Landpachtvertrages ausgeübt werden muss, bevor es verwirkt ist.

Entscheidung
Die Parteien stritten insbesondere um die tatsächliche Laufzeit eines Landpachtvertrages, den der klagende Pächter fortsetzen wollte. Um dies zu verhindern, kündigte der beklagte Verpächter zuletzt im laufenden Rechtsstreit das Landpachtverhältnis aus wichtigem Grund im November, weil der Kläger die zum 1.1. des Jahres fällige Jahrespacht nicht entrichtet hatte. Der Kläger obsiegte zuletzt vor dem Bundesgerichtshof, weil der beklagte Verpächter nicht mehr zur Kündigung berechtigt gewesen sei, weil er die Kündigung nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnis des Kündigungsgrundes ausgesprochen hatte. Nach den gesetzlichen Vorschriften war der beklagte Verpächter ab Mai zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Pachtverhältnisses berechtigt; denn der Kläger befand sich damals mit der fälligen Pacht länger als drei Monate in Verzug. Die erst im November erfolgte Kündigung war damit verspätet, weil die außerordentliche fristlose Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund innerhalb einer angemessenen Zeit seit Kenntnis von dem Kündigungsgrund erklärt werden muss. Denn insbesondere gebe der Kündigungsberechtigte mit dem längeren Abwarten zu erkennen, dass für ihn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses trotz des Vorliegens eines Grundes zur fristlosen Kündigung nicht unzumutbar ist. Bei einem Landpachtverhältnis ist angesichts der - insbesondere im Hinblick auf die Weiterbewirtschaftung - erforderlichen Entscheidungen eine Frist von maximal drei Monaten ab Kenntnis vom Kündigungsgrund angemessen.

Konsequenz
Soll die fristlose Kündigung eines Landpachtverhältnisse Bestand haben, muss längstens innerhalb von drei Monaten nach Eintritt des Kündigungsgrundes gekündigt werden.


10. Vorgetäuschte Erkrankung: Gesteigerte Darlegungs- und Beweislast

Kernfrage/Rechtslage
Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beweist in der Regel die Erkrankung und rechtfertigt damit ein Fernbleiben von der Arbeit, ohne dass der Arbeitnehmer weitere Maßnahmen ergreifen muss. Das Hessische Landesarbeitsgericht hatte nunmehr darüber zu befinden, ob diese Beweiswirkung dann verdrängt wird, wenn Anlass besteht, an der Arbeitsunfähigkeit zu zweifeln; z. B. weil der Arbeitnehmer eine entsprechende Äußerung getätigt hatte.

Entscheidung
Der Kläger war seit langem als Krankenpfleger bei dem beklagten Krankenhaus beschäftigt. Zuletzt wurde er zusammen mit einem Kollegen in der "Zentralsterilisation" eingesetzt. Sowohl der Kläger als auch der Kollege waren seit dem 14.10.2008 arbeitsunfähig krank. Am 7.11.2008 suchte der Kläger seinen Vorgesetzten bei der Beklagten auf, um eine Verlängerung der Krankschreibung abzugeben. Als dieser fragte, wann er wieder ihm rechnen könne, antwortete der Kläger: "Wo denkst du hin, solange das hier nicht vernünftig läuft, hole ich mir erst noch mal einen gelben Schein. Bei diesem Zustand hier bin ich nach zwei Tagen wieder erschöpft. Mir geht es richtig gut, ich bin psychisch und physisch so fit wie noch nie, aber nicht für die Arbeit". Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Mit der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage unterlag der Kläger. Nach Auffassung des Gerichts lag mit der Einlassung des Klägers, er sei psychisch und physisch so fit wie noch nie, der Verdacht einer vorgetäuschten Erkrankung nahe. Zwar beweise die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in der Regel die Arbeitsunfähigkeit, dieser Beweiswert sei aber durch die eigenen Äußerungen des Klägers erschüttert. In einer solchen Konstellation treffe die Beweislast wieder den Kläger, der das Vorliegen einer Krankheit vollumfänglich beweisen müsse. Da der Kläger dies nicht konnte, stand für das Gericht fest, dass die Erkrankung nur vorgetäuscht war. Die damit verbundene Zerstörung des Vertrauens des Arbeitgebers rechtfertige im Einzelfall sogar die fristlose Kündigung.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, dass, wenn besondere Umstände hinzutreten, die allerdings gravierend sein müssen, auch die Beweiswirkung von ärztlichen Attesten durchbrochen wird.


11. ErbSt: Maßgebende Steuerklassen bei ehemaligem Adoptionsverhältnis

Kernfrage/Rechtslage
In den Genuss der günstigen Erbschaftsteuerklassen kommen nur enge Familienangehörige. Gerade angesichts der durch die Erbschaftsteuerreform erhöhten Steuersätze sind daher Adoptionen beliebt geworden, um ein gesetzliches Kindschaftsverhältnis zu begründen, das steuerlich anerkannt wird. Der Bundesfinanzhof hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob die günstigen Steuerklassen auch dann gewährt werden, wenn ein Kindschaftsverhältnis wieder aufgehoben worden ist, im Zeitpunkt des Erbanfalls also nicht mehr besteht.

Entscheidung
Gegenüber dem Kläger war Erbschaftsteuer unter Anwendung der Steuerklasse III festgesetzt worden, obwohl er vom Erblasser (zunächst) adoptiert worden war. Allerdings waren die Adoption und ihre Wirkungen bereits wieder aufgehoben worden. Im Zeitpunkt des Erbfalls bestand die Adoption nicht mehr. Mit seiner Klage machte das ehemalige Adoptivkind geltend, nach der günstigen Steuerklasse I besteuert zu werden, unterlag jedoch vor dem Bundesfinanzhof. Ein ehemaliges Adoptionsverhältnis fällt nach der Auffassung des Gerichts nicht in den Anwendungsbereich der erbschaftsteuerlichen Regelungen, mit denen Adoptivkindern die günstige Steuerklasse gewährt wird. Ziel des Gesetzgebers bei Einführung dieser Regelungen war, die erbschaftsteuerlichen Nachteile von Adoptivkindern auszugleichen und diese leiblichen Kindern gleichzustellen, nicht aber die Begünstigung ehemaliger Adoptivverhältnisse.

Konsequenz
Um in den Genuss der günstigen Steuerklassen des Erbschaftsteuerrechts zu gelangen, muss die Annahme als Kind im Todeszeitpunkt des Erblassers noch bestehen. Ist das Annahmeverhältnis vorher erloschen, kommt in der Regel die ungünstige Steuerklasse III zur Anwendung.


12. Heimischer PC: Entschädigung für unrechtmäßige Beschlagnahmung

Kernaussage
Wird der PC oder Laptop zu Unrecht beschlagnahmt, hat der Betroffene einen Anspruch auf Schadensersatz. Das OLG München hatte darüber zu entschieden, ob ein Computer heute zum notwendigen Lebensbedarf zählt.

Sachverhalt
Die Antragstellerin bestreitet ihren Lebensunterhalt für sich und ihre beiden Kinder durch Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Entschädigung für eine 77-tägige Beschlagnahme eins Laptops und eines PC's im Rahmen eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens. Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags durch das Landgericht hielt das OLG teilweise für begründet.

Entscheidung
Die Antragstellerin ist grundsätzlich für die durchgeführte Durchsuchung ihrer Wohnung und die Beschlagnahme des PC's und eines Laptops zu entschädigen. Im Rahmen der Anerkennung eines Schadens durch Verlust einer Gebrauchsmöglichkeit einer Sache ist maßgeblich, ob es sich um lebensgut handelt, dessen ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftlichen Lebenshaltung von zentraler Bedeutung ist. Bejaht wird dies im Allgemeinen für die Wohnung, elementare Haushaltsgegenstände (Kühlschrank, Herd) und den Fernseher. Auch für den PC hält das OLG München es für zumindest diskutabel, dass die ständige Verfügbarkeit des Gerätes zum notwendigen Lebensbedarf zählt. Denn in aller Regel erfordert die ständig zunehmende Internet-Nutzung im privaten Alltag, sei es zur Informationsbeschaffung, Kommunikation, Abwicklung von Geschäften oder als Unterhaltungsmedium, einen Computer. Allerdings genügt zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung die Möglichkeit der Nutzung eines PC's.

Konsequenz
Das OLG schätzte den Nutzungswert eines Computers auf 2,30 EUR pro Tag, so dass der Klägerin, die an 77 Tagen auf die Nutzung des Internets verzichten musste, eine Entschädigung von 177 EUR zusteht.


13. DBA-USA: Besteuerung von Zinseinkünften einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft

Kernproblem
Der BFH hatte über die Besteuerung von Zinseinkünften aus einer gewerblich geprägten vermögensverwaltenden amerikanischen Personengesellschaft zu entscheiden.

Sachverhalt
Eine US-amerikanische Personengesellschaft vermietete im Streitjahr 1995 eine in den USA belegene Immobilie und erzielte aus den Mieteinnahmeüberschüssen Zinserträge. An der Personengesellschaft waren, teils mittelbar und teils unmittelbar, in Deutschland ansässige unbeschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt. Streitig war, ob die Zinserträge nach dem DBA-USA von der deutschen Besteuerung freizustellen sind oder wenigstens die in den USA auf die Zinserträge gezahlte Steuer auf die deutsche Steuer angerechnet wird. Der Kläger begehrte eine Besteuerung als Unternehmensgewinn in den USA. Das beklagte Finanzamt vertrat die Ansicht, die Zinsen seien nicht als gewerbliche Einkünfte, sondern als Zinseinkünfte zu qualifizieren und könnten nur in Deutschland besteuert werden. Die Klage blieb erfolglos.

Entscheidung
Fraglich war die Wirkung, die von Artikel 3 Abs. 2 des DBA-USA ausgeht. Maßgeblich wäre danach das Recht des Anwenderstaates, also Deutschlands. Bei einer gewerblich geprägten Gesellschaft würde dies zu Unternehmensgewinnen führen (so auch das BMF im Schreiben vom 16.4.2010). Geklärt wurde außerdem das Verhältnis zu Art. 6 Abs. 3 des DBA, der eine Zuordnung der Zinsen zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen hätte auslösen können. Schließlich war zu klären, ob es zu einer Anrechnung der amerikanischen Steuer auf die Zinsen kommen kann. Der BFH vertritt abweichend von der Meinung im jüngsten BMF-Schreiben die Auffassung, dass die gewerbliche Prägung nicht zu einer Umqualifizierung von Einkünften aus der Vermögensverwaltung in gewerbliche Einkünfte führt. Art. 3 Abs. 2 erfordert nach Ansicht des BFH eine abkommensspezifische Auslegung. Die Regelungen im nationalen Recht sollen nur eine Hilfsfunktion haben. Hinsichtlich der Zuordnung zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen sieht der BFH ebenfalls nur einen mittelbaren Zusammenhang. Deshalb ist der Zinsartikel vorrangig anzuwenden. Schließlich stellt der BFH klar, dass eine Steueranrechnung der in den USA abgeführten Quellensteuer nur dann erfolgen könne, wenn beide Staaten ein Besteuerungsrecht hätten. Dies sei aber gerade nicht der Fall, da Deutschland insoweit ein alleiniges Besteuerungsrecht zustehe.


14. Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen nicht strafbar

Kernaussage
Die von Betreuern - in Übereinstimmung auch mit den inzwischen in Kraft getretenen Regelungen der §§ 1901a, 1904 BGB - geprüfte Einwilligung eines Patienten rechtfertigt nicht nur den Behandlungsabbruch durch bloßes Unterlassen weiterer Ernährung, sondern auch ein aktives Tun, das der Beendigung oder Verhinderung einer von ihm nicht oder nicht mehr gewollten Behandlung dient.

Sachverhalt
Der angeklagte Rechtsanwalt beriet die beiden Kinder der Patientin, nämlich die Mitangeklagte und deren verstorbenen Bruder. Die Patientin lag seit Oktober 2002 in einem Wachkoma. Sie wurde in einem Pflegeheim über einen Zugang in der Bauchdecke (Sonde) künstlich ernährt. Eine Besserung ihres Gesundheitszustandes war nicht mehr zu erwarten. Entsprechend einem von der Patientin im September 2002 mündlich für einen solchen Fall geäußerten Wunsch bemühten sich die inzwischen zu Betreuern ihrer Mutter bestellten Geschwister um die Einstellung der künstlichen Ernährung, um ihrer Mutter ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Das Heimpersonal sollte sich nur noch um die Pflege kümmern, während die Kinder der Patientin die Ernährung über die Sonde einstellten. Nachdem die Mitangeklagte Ende 2007 die Nahrungszufuhr über die Sonde beendet hatte, wurde die Heimleitung jedoch von der Gesamtleitung angewiesen, die künstliche Ernährung umgehend wieder aufzunehmen. Den Kindern der Patientin wurde ein Hausverbot für den Fall angedroht, dass sie sich hiermit nicht einverstanden erklärten. Darauf erteilte der Angeklagte der Mitangeklagten am gleichen Tag den Rat, den Schlauch der Sonde unmittelbar über der Bauchdecke zu durchtrennen, was auch geschah. Nach Einschaltung der Polizei wurde der Patientin eine neue Sonde gelegt und die künstliche Ernährung wieder aufgenommen. Sie starb zwei Wochen darauf eines natürlichen Todes. Das LG würdigte das Handeln des Angeklagten als einen versuchten Totschlag durch aktives Tun - im Gegensatz zum bloßen Abbruch einer lebenserhaltenden Behandlung durch Unterlassen -. Die Mitangeklagte wurde wegen Erlaubnisirrtums freigesprochen. Der BGH sprach den Angeklagten ebenfalls frei.

Entscheidung
Das LG ging zutreffend davon aus, dass die mit der Heimleitung getroffene Entscheidung zum Unterlassen weiterer künstlicher Ernährung rechtmäßig war und dass die von der Heimleitung angekündigte Wiederaufnahme als rechtswidriger Angriff gegen das Selbstbestimmungsrecht der Patientin gewertet werden konnte. Die mündlich geäußerte Einwilligung der Patientin entfaltete bindende Wirkung und stellte sowohl nach dem seit dem Inkrafttreten des Patientenverfügungsgesetzes (1.9.2009) als auch nach dem zur Tatzeit geltenden Recht eine Rechtfertigung des Behandlungsabbruchs dar. Dies gilt unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung. Dagegen traf die Bewertung des LG nicht zu, der Angeklagte habe sich durch seine Mitwirkung an der aktiven Verhinderung der Wiederaufnahme der Ernährung wegen versuchten Totschlags strafbar gemacht.

Konsequenz
Eine nur an den Äußerlichkeiten von Tun oder Unterlassen orientierte Unterscheidung der straflosen Sterbehilfe vom strafbaren Töten des Patienten wird dem sachlichen Unterschied zwischen der auf eine Lebensbeendigung gerichteten Tötung und Verhaltensweisen nicht gerecht, die dem krankheitsbedingten Sterbenlassen mit Einwilligung des Betroffenen seinen Lauf lassen.


15. BAG hebt Kündigung von "Emmely" auf

Kernfrage/Rechtslage
Bislang galt, dass jede Straftat eines Arbeitnehmers zu Lasten des Arbeitgeber unabhängig von allen Fragen der Verhältnismäßigkeit und Schadenshöhe zur einer in der Regel fristlosen, jedenfalls aber ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers berechtigte. Eine Bagatellgrenze gab es nicht. So wurde auch der wohl populärste Fall der Kassiererin "Emmely", die Pfandbons im Wert von 1,30 EUR unterschlagen hatte, von den Instanzgerichten entschieden und die Kündigung für zulässig erachtet. Diese bisher unumstößliche Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht jetzt gekippt.

Entscheidung
Die Klägerin war 30 Jahre als Verkäuferin mit Kassentätigkeit bei der Beklagten beschäftigt. 2008 wurden in der Filiale zwei Pfandbons im Wert 1,30 EUR aufgefunden. Der Filialleiter übergab die Bons der Klägerin zur Aufbewahrung, falls sich ein Kunde noch melden sollte. Nach den Feststellungen der Instanzgerichte reichte die Klägerin die beiden Bons bei einem privaten Einkauf zehn Tage später bei der kassierenden Kollegin ein. Diese nahm sie entgegen, obwohl sie, anders als es aufgrund einer Anweisung erforderlich gewesen wäre, vom Filialleiter nicht abgezeichnet worden waren. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ungeachtet des Widerspruchs des Betriebsrats wegen eines dringenden Tatverdachts fristlos, hilfsweise fristgemäß. Nachdem die Instanzgerichte die Kündigung für wirksam erklärt hatten, urteilte das Bundesarbeitsgericht jetzt zugunsten der Klägerin. Zwar liege ein schwerwiegender Vertragsbruch vor, der den Kernbereich der Arbeitsaufgaben einer Kassiererin berühre und damit trotz des geringen Werts der Pfandbons das Vertrauensverhältnis der Parteien objektiv erheblich belaste. Letztlich würden aber angesichts der mit einer Kündigung verbundenen schwerwiegenden Einbußen die zu Gunsten der Klägerin in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte überwiegen. Dazu gehört die 30 Jahre ohne rechtlich relevante Störungen verlaufene Beschäftigung, durch die ein hohes Maß an Vertrauen entstanden sei, das durch den in vieler Hinsicht atypischen und einmaligen Kündigungssachverhalt nicht vollständig zerstört werden könne. Außerdem sei auch die nur geringfügige wirtschaftliche Schädigung in die Abwägung mit aufzunehmen, so dass eine Abmahnung als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung angemessen und ausreichend gewesen wäre.

Konsequenz
Mit der Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht eine bisher feste Grenze des Kündigungsrechts aufgeweicht und damit aufgehoben. Zwar soll es dabei bleiben, dass die Straftat die Kündigung rechtfertigt, zukünftig wird aber jede Kündigung aus diesem Grund mit den Argumenten der Unverhältnismäßigkeit angreifbar sein. So stellen sich z. B. die Fragen, ab welcher Dauer der Betriebszugehörigkeit das Interesse des Arbeitnehmers überwiegt, oder ab welcher Wertgrenze sich die Schadenshöhe auswirkt.


16. Verabschiedungsschreiben bei Wechsel zu Wettbewerber

Kernaussage
Das Abwerben von Kunden ist grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig. Erst wenn besondere Unlauterkeitsumstände hinzutreten, kann ein Wettbewerbsverstoß begründet werden. Das systematische Anschreiben von Kunden während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses ist jedenfalls wettbewerbswidrig, wenn sich der Arbeitnehmer bei seinen Kunden für das bisherige Vertrauen bedankt, seine private Anschrift und Telefonnummer angibt und auf seine zukünftige Tätigkeit als Wettbewerber oder für einen neuen Arbeitgebers hinweist.

Sachverhalt
Der Kläger und der einer der beiden Beklagten sind Lohnsteuerhilfevereine. Der weitere Beklagte war bei dem Kläger als Steuersachbearbeiter angestellt. Nachdem er das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, versandte er während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses unter Verwendung des Adressenmaterials und des Briefpapiers des Klägers Verabschiedungsschreiben an die von ihm bislang betreuten Mitglieder. Er bedankte sich "für das bisherige langjährige entgegengebrachte Vertrauen" und gab seine private Adresse und Telefonnummer an. Der Kläger verlangt von beiden Beklagten Schadensersatz wegen des Verlusts von Mitgliedsbeiträgen aufgrund abgeworbener Mitglieder. Zwischen den Beklagten habe eine Absprache hinsichtlich des Vorgehens bestanden.

Entscheidung
Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache ans OLG zurück. Das beanstandete Schreiben ist wettbewerbswidrig und zielt auf die Abwerbung der betreuten Mitglieder und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem der weitere Beklagte noch in einem Arbeitsverhältnis zum Kläger stand. Er hatte sich daher diesem gegenüber loyal zu verhalten. Zudem ist die Formulierung, mit der sich der beklagte Mitarbeiter für das bisherige Vertrauen bedankte, als Absicht zu werten, dem Kunden nahe zu legen, mit ihm auch nach seinem Ausscheiden beim Kläger weiterhin vertrauensvoll zusammen zu arbeiten. Zu wesentlichen Fragen, wie und durch wen die Betreuung der Mitglieder beim Kläger weiter erfolgen würde, nahm das Schreiben indes keine Stellung.

Konsequenz
Die Konsequenzen im Fall eines wettbewerbswidrigen Verabschiedungsschreibens sind weitreichend. Dem früheren Arbeitgeber steht ein Anspruch auf Ersatz des Schadens zu, der ihm durch die Abwerbung von Kunden entstanden ist. Zur Vorbereitung dieses Schadensersatzanspruches steht ihm zudem ein Auskunftsanspruch darüber zu, wer die Adressaten waren und welche Kunden im zeitlichen Zusammenhang mit diesem Schreiben zum neuen Arbeitgeber des Mitarbeiters gewechselt sind.




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Mit freundlichen Grüßen


Stephan Gißewski

Steuerberater


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